Zurück

05.02.2025

Verpflichtende Integrationskurse: Grundsätzlich EU-rechtskonform

Dass Personen, denen internationaler Schutz zuerkannt worden ist, eine Integrationsprüfung bestehen müssen, widerspricht dem Unionsrecht unter bestimmten Voraussetzungen nicht. Allerdings dürfe das Nichtbestehen einer solchen Prüfung nicht systematisch geahndet werden, mahnt der Europäische Gerichtshof (EuGH).

Ein Eritreer kam im Alter von 17 Jahren in die Niederlande, wo ihm internationaler Schutz zuerkannt wurde. Als er 18 Jahre alt wurde, teilten ihm die niederländischen Behörden mit, dass er einen Integrationskurs besuchen und grundsätzlich innerhalb von drei Jahren alle Teile der Integrationsprüfung bestehen müsse. Diese Frist wurde später um ein Jahr verlängert.

Der Eritreer erschien allerdings zu bestimmten Kursen und Prüfungen nicht und bestand die, an denen er teilnahm, nicht. Das wurde mit einer Geldbuße von 500 Euro geahndet. Außerdem wurde er aufgefordert, die 10.000 Euro, die er zur Finanzierung des Integrationsprogramms als Darlehen erhalten hatte, vollständig zurückzuzahlen.

In der Folgezeit wurde er von der Pflicht, das Programm erfolgreich abzuschließen, befreit, weil er zu diesem Zeitpunkt ausreichende Anstrengungen dafür unternommen hatte. Diese Befreiung ließ seine Verpflichtung zur Zahlung der Geldbuße und zur Rückzahlung des Darlehens jedoch unberührt. Dagegen klagte der Eritreer. Das mit der Sache befasste niederländische Gericht legte die Sache dem EuGH vor. Dieser möge klären, ob das niederländische System mit der Richtlinie über den internationalen Schutz (RL 2011/95) vereinbar ist.

Der EuGH meint, die Richtlinie stehe einer nationalen Regelung, die Geflüchtete verpflichtet, eine Integrationsprüfung zu bestehen, unter bestimmten Voraussetzungen nicht entgegen. Schließlich sei es wichtig, dass Schutzberechtigte Kenntnisse sowohl der Sprache als auch über die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats erwerben, um ihre Integration in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats zu fördern und den Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Berufsausbildung zu erleichtern. Der EuGH gesteht den EU-Mitgliedstaaten in diesem Kontext einen gewissen Wertungsspielraum zu.

Es sei aber notwendig, die persönlichen Umstände der Schutzberechtigten, die sehr unterschiedlich sein könnten, zu berücksichtigen, also Alter, Bildungsniveau, finanzielle Lage oder Gesundheitszustand. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass sich die betreffenden Personen noch nicht dauerhaft im betreffenden Mitgliedstaat niedergelassen haben. Daher dürften nur Grundkenntnisse abgefragt werden. Ferner sollte jede Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, von der Pflicht zum Bestehen dieser Prüfung befreit werden, falls sie nachweisen kann, dass sie bereits tatsächlich integriert ist.

Jedenfalls, so der EuGH, dürfe das Nichtbestehen einer solchen Prüfung nicht systematisch mit einer Geldbuße geahndet werden. Eine solche Sanktion dürfe nur unter außergewöhnlichen Umständen verhängt werden, etwa dann, wenn die betreffende Person nachweislich und fortdauernd nicht bereit ist, sich zu integrieren. Des Weiteren dürfe der betreffenden Person in Anbetracht ihrer persönlichen und familiären Situation mit einer solchen Geldbuße keinesfalls eine unangemessene finanzielle Belastung auferlegt werden.

Im vorliegenden Fall komme die von der niederländischen Regelung vorgesehene Geldbuße systematisch zur Anwendung und könne bis zu 1.250 Euro betragen. Eine solche Maßnahme dürfte zu dem mit dieser Regelung verfolgten Ziel in einem offensichtlichen Missverhältnis stehen, meint der EuGH. Dass der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, grundsätzlich sämtliche Kosten der Kurse und Prüfungen des Integrationsprogramms auferlegt werden, gefährde zudem das Ziel, ihre tatsächliche Integration in die Gesellschaft des Aufnahmemitgliedstaats sicherzustellen. Mit dieser Pflicht werde ihr eine unangemessene Belastung auferlegt, die nicht nur ihren tatsächlichen Zugang zum Integrationsprogramm, sondern auch die Wahrnehmung der weiteren Rechte und Vorteile, die ihr nach der Richtlinie 2011/95 zustehen, behindert.

Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil vom 04.02.2025, C-158/23